Auf den Spuren der Adler

Veröffentlicht: 26. März 2012 von angekreuzt in Allgemein

Der Bundestag Foto: Marcela / Wikimedia Commons

Der schwarze Audi fuhr vor. Alle warteten angespannt, während absolute Stille herrschte. Dann öffnete sich die Tür und die wohl mächtigste Frau der Welt stieg aus. In einen grünen Blazer und schwarze Anzughose gekleidet, marschierte sie umgeben von einer Sekretärin sowie zwei in schwarz gekleideten und sonnenbebrillten Männern auf den Hintereingang des Bundestages zu. Die Stille wurde von dem Klicken der Fotoapparate und der gezückten Handys durchbrochen. Ein Stockwerk tiefer lief die Kanzlerin seelenruhig durch die Eingangstür und umkurvte gekonnt den Körperscanner.

Dies war wahrscheinlich der mit Abstand spannendste Moment der Berlinreise, die von der Jugendpresse Sachsen für die Gewinner des Schülerzeitungswettbewerbs veranstaltet wurde. Auf dieser waren unter anderem auch eingeplant einen kleinen Plausch mit Thomas de Maiziere, dem aktuellen Verteidigungsminister, zu halten, dem Bundesrat einen Inspektionsbesuch abzustatten, den Bundestag zu besichtigen und in Ehrfurcht zu erstarren und natürlich, wie könnte man es nicht tun, das Arbeitszimmer von Stanislaw Tillich anzuschauen.

Brandenburger Tor Foto: Janina Pohl / Wikimedia Commons

Doch von vorne. Am 6.3.2012 hieß es um 5 Uhr früh aufstehen und zum HBF zu fahren, denn dort wartete der Bus, der uns nach Berlin in die Hauptstadt Deutschlands bringen würde. Als um 6 alle eingetroffen waren, fuhr der Bus endlich los. Bei einem Stopp in Leipzig wurden noch weiter junge Journalisten eingesammelt. Während der langen Busfahrt im trüben Dämmerlicht Deutschlands sank allen Beteiligten der Kopf regelmäßig auf die Brust oder gegen das nächstliegende Fenster. Erst als man sich langsam Berlin näherte und es Mittag wurde, konnten sich die meisten aus ihrer Lethargie befreien, denn der Besuch eines Restaurants zum Mittagessen stand an. Doch leider war die Adresse, die den Reiseleiterinnen von der sächsischen Landesvertretung gegeben wurde, falsch. Deshalb standen 18 Leute mit knurrendem Magen erstmal eine halbe Stunde in der Berliner Kälte.

Am Pavillon am Bundestag konnten wir uns nach dem fehlgeschlagenen Versuch dann doch noch stärken. Nachdem alle gefüttert und gewässert waren, bestanden die Reiseleiterinnen unbedingt auf einem Kennenlernspiel ala Kindergarten, welches dann aber eine vollkommen überraschende Wendung nahm. Als nämlich alle an der Reihe gewesen waren – natürlich hatten alle die vorher genannten Namen bereits wieder vergessen – gesellte sich ein wildfremder  Mann in unseren Kreis, der sich so vorstellte: „Hallo, ich bin der Robert. Ich arbeite beim RBB und wollte euch alle fragen, ob ihr heute Abend Lust und Laune habt, der Polit-Sendung „Klipp und Klar“ beizuwohnen? Ich habe noch 20 Tickets und es würde so fast genau passen.“ Lust und Laune hatten wir schon, aber die U-Bahntickets, ach, hätten uns die U-Bahntickets und die Aufsichtskausalitäten keinen Strich durch die Rechnung gemacht…

Hätte wahrscheinlich jede normale Schulklasse gemeint, aber wir sagten kurzerhand zu. Nach kurzer Aufregung mussten wir uns den ernsten Dingen des Lebens zuwenden: der Politik. Wir liefen nämlich Richtung Jakob-Kaiser-Haus, um dort den Leiter des Pressereferats des deutschen Bundestages, Hr. Hoose, zu treffen. Als alle unbeschadet durch die Sicherheitskontrolle gelangt waren, empfing uns Hr. Hoose in einem Sitzungszimmer, das sonst zur Auswertung von Zeitungsartikeln, die den Bundestag betreffen, genutzt wird. Erst einmal hielt er einen Kurzvortrag. Die Betonung liegt auf kurz. Am Ende kam heraus, dass er in gewisser Weise  die Presse betreffende Hausmeisterarbeiten macht. Er erläuterte uns z. B., dass er einmal tatsächlich eine Anfrage hatte, ob der Bundestag unter Mäusebefall leide? In jugendlicher Art und Weise erklärte er uns sein Themengebiet und wies einen erstaunlichen Elan auf. Wirklich ernste Sachen bearbeitet er natürlich auch: Wenn die Presse Hr. Schäuble beim Sudokuspielen erwischt, muss er einschreiten und das Publizieren von solchen Bildern unterbinden, weil an der Stelle des IPads geheime Dokumente evtl. hätten liegen können. Mit solcherlei Fragen beschäftigte sich also der durchaus sympathische Hr. Hoose, der sein rhetorisches Talent – wie ich finde – in dieser Stellung vollkommen vergeudet, denn er würde einen furchtbar guten und gewandten Politiker abgeben.

Bundesrat Foto: campsmum / Wikimedia Commons

Im Anschluss an dieses Gespräch wurden wir durch den Jakob-Kaiser-Bau geführt. Wir bestaunten die moderne Kunst, welche überall an den Wänden angebracht war bzw. ganze Flächen einnahm. Im Keller des Hauses entdeckten wir den Tunnel, durch den angeblich das Feuer, welches den Reichstagsbrand 1934 ausgelöst hatte, eingedrungen war. Weiter ging es durch ein absolutes Wirrwarr von Gängen. Unser Fremdenführer meldete uns dann, dass wir gleich eine der „Hauptverkehrsstraßen“ der Bundestagsgebäude betreten würden. Eine Minute später fanden wir uns in einem Heizungstunnel wieder. Auf dem Weg dorthin gingen wir an Stahlboxen vorbei. Jede Stahlbox steht für einen Abgeordneten, der in der gesamten Geschichte deutscher Demokratie im höchsten Landesparlament gesessen hatte. Die Box von Adolf Hitler war verständlicherweise komplett demoliert, während die von Willy Brandt, Konrad Adenauer oder auch Angela Merkel vom vielen Anfassen blank poliert waren. Unsere Führung brachte uns immer weiter hinein in die verworrenen Gänge, bis wir plötzlich durch eine Tür liefen und neben uns die Spree fließen sahen mit einem fröhlich tutendem Boot darauf.

 Jetzt ging es das Reichstagsgebäude besichtigen. Nach einem relativ ereignislosen Besuch eines Ausschussraumes stiegen wir immer weiter empor, bis wir auf alte Überbleibsel aus der Erobererzeit der Russen trafen. An den Wänden standen Sprüche in Kyrillisch, aber nicht wie man denken würde, voll von Hass, sondern voller Hoffnung auf baldige Wiederkehr in die Heimat und erste Liebesgrüße an die weit entfernte Freundin. In diesem Moment lohnte sich das Stehenbleiben und In-Sich-Gehen.

Sie wird die „fette Henne“ genannt, gemeint ist der allseits bekannte Adler, der hinter den Regierungsbänken im Plenum hängt. Wegen seiner kleinen Speckröllchen, die der Bundesratsadler und der des Bundespräsidenten nicht haben, hat er diesen Spitznamen bekommen. So erklärte uns unser Leiter die Attraktion des Plenums. Eine weitere Besonderheit ist, dass man durch die Glaskuppel immer die Menschen über einem sieht, für die man gerade Entscheidungen trifft. Fotos schießende Japaner sind natürlich weniger gemeint, aber wir haben z. B. ein älteres Paar getroffen, welches meinte, dass sie jetzt das allererste Mal in Berlin sind und da natürlich der Bundestag nicht fehlen darf. Ein symbolisch wertvolles Objekt ist diese Kuppel auf jeden Fall.

Dann war unser Bundestagsbesuch auch schon wieder beendet. Wir fuhren zum Hostel, um einzuchecken. Das Hostel war äußerst spartanisch eingerichtet, aber für eine Nacht sollte es reichen. Nach kurzem Aufenthalt ging es mit dem Bus weiter zur sächsischen Landesvertretung in Berlin. Vollkommen abgelegen in der letzten Seitenstraße, in der es nach Gulli stank, fanden wir sie untergebracht in einem altertümlichen Haus. Am Eingang wurden wir von einer netten Dame empfangen, die mit uns eine kurze Führung durchs Gebäude veranstaltete. Wir erfuhren, dass regelmäßig Ausstellungen junger sächsischer Künstler dort stattfinden. Dann ging es aber auf den Höhepunkt des Hauses zu: das Zimmer von Stanislaw Tillich. Ein Schreibtisch, ein Stuhl, eine Lampe, eine Couch mit zwei Sesseln und ein kleiner Tisch. Absolut erschlagen von der Gewaltigkeit dieses Raumes standen wir betreten im Zimmer herum und fragten uns alle, was jetzt hier so toll sei. Schade.

Bundestagsadler Foto: Bundestag

Der Tag näherte sich langsam dem Ende, aber eine Station hatten wir noch auf unserem Weg zu unseren kratzigen Betten zu gehen. Mit der U-Bahn fuhren wir zum RBB-Studio und auf dem Weg dorthin erörterten wir, ob es nicht vielleicht besser gewesen wäre, in Dresden zum Moskauer Katzenzirkus zu gehen… Beim RBB verlebten wir einen entspannten Abend, der aus einer Stunde Zuhören bestand. Einige mussten sich des öfteren Zwischenrufe verkneifen, aber die angestaute Wut über das Gesagte wurde dann außerhalb des Gebäudes abgelassen. Jetzt sah man dann doch allesamt gähnen wie die Schlosshunde, aber leider wurde uns der Schlaf noch ein bisschen verwehrt, denn wir liefen erst einmal in die falsche Richtung. Schlussendlich fielen wir alle müde und geschafft in unsere Betten.

Nach dem Frühstück am nächsten Morgen fuhr uns unser Busfahrer zum Verteidigungsministerium. Die Sicherheitskontrolle war äußerst amüsant. Ein Soldat musste leider 10 Minuten davon überzeugt werden, dass eine Batteriepackung nicht ein Klappmesser ist. Eigentlich waren wir im Verteidigungsministerium, um den Minister, Thomas de Maiziere, zu treffen. Der ließ sich aber Zeit, weshalb wir von einem Infanteriemitglied der deutschen Bundeswehr bespaßt wurden. Wir durften Fragen stellen über sein Berufsleben, sein Leben neben dem Beruf und seine Orden. Durchaus spannend und anschaulich erklärte er uns, wie er in Bosnien und Afghanistan stationiert war und erzählte uns so die eine oder andere Anekdote. Die für mich herausragende war diese: Als er in Afghanistan stationiert war, ließ er sich, wie es bei der Landesbevölkerung üblich war, einen langen Bart wachsen. Wenn er dann mit dem Truck durch die Dörfer fuhr und sichtbar am Fenster saß, haben ihm die Leute zugewunken und auf ihre eigenen Bärte gedeutet und einen Daumen nach oben gezeigt. Er bezeichnete es selbst als „den Menschen kulturell auf einer Augenhöhe begegnen“. Dann kam der große Moment und der Verteidigungsminister erschien. Er selbst meinte, dass er noch nie die Absicht hatte in die Politik zu gehen, sondern einfach hinein gespült wurde. Sein Motto lautet, dass man in niedrigeren politischen Positionen besonders viel Sachkompetenz und in den höheren viel Methodik und Sozialkompetenz besitzen muss. Weiterhin kritisierte er die Macht der Presse und schalt das Verhalten der Medien in Bezug auf die Wulff-Affäre („Pressefreiheit bedeutet Unbarmherzigkeit“). Während seines Vortrags zitierte er des öfteren Franz Müntefering; „Nach so vielen Jahren in der hohen Politik muss man erstmal wieder lernen, wie man sich eine Fahrkarte am Fahrkartenautomat kauft…“. Wir hoffen natürlich alle, dass es Hr. de Maiziere nicht genauso ergeht. Die Fahrkartenautomaten sind aber auch komplizierte Dinger…  Im Allgemeinen machte er einen sehr müden Eindruck und wirkte abgearbeitet. Das hinderte ihn aber nicht daran, sich immer politisch korrekt auszudrücken und bloß keine Fehler zu machen. Seine offensichtliche Müdigkeit mochte an seinen vielen Reisen liegen, oder an der Büroarbeit und den Gesprächen. Wer weiß schon, was sich tatsächlich hinter den großen Bühnen der Politik abspielt.

Am späten Nachmittag machten wir noch eine kleine Busfahrt durch Berlin: zum Brandenburger Tor, durch das Nikolaiviertel und zum Denkmal für die im Holocaust umgekommen Juden.

Auf unserer letzten Station in Berlin besichtigten wir den Bundesrat. Das mit viel Marmor bestückte Haus, welches früher der preußischen Regierung als Herrenhaus (Haus der zweiten Kammer) diente, wirkte von außen wie von innen sehr imposant. Drinnen stellten wir dann eine Sitzung des Bundesrates nach und kamen zu dem Ergebnis, dass der Lohnangleich von Männern und Frauen durch einen Bundesfördertopf getragen werden soll.

Nach diesen ereignisreichen Tagen fuhren wir auch schon wieder nach Hause Richtung Dresden. Als kurzes Fazit würde ich sagen, dass es ein größtenteils informativer und spannender Aufenthalt war, der teilweise seine Längen und lächerlichen Szenen hatte.

Ein Dank geht an unsere Reiseleiterinnen von der Jugendpresse Sachsen und natürlich an den Busfahrer, der uns hervorragend durch die Gegend gefahren hat.

kreuzer
Kommentare
  1. Hotte sagt:

    Oh super, ich war mit meiner Familie in Berlin leider letztes mal in einem völlig anderen Stadtteil, wodurch unser Weg ins Regierungsviertel etwas umständlicher wurde 🙂
    Nichtsdestotrotz ein schöner Bericht, und ein gutes Beispiel, wie professionell doch auf bestimmten Ebenen im Bundestag alles abläuft. Wer allerdings den Politprofis richtig auf den Zahn fühlen will, muss schon ein Top-Journalist sein, denn die sind so aalglatt, die wickeln erstmal jeden um den kleinen Finger.
    Übrigens, was soll denn mit den Fotos sein, die sind doch ok?

  2. kreuzer sagt:

    stimmt. hab ich leider vergessen. kann man ja noch machen… 😉

  3. Admin sagt:

    hoffe es sind jetzt alle Fehler beseitigt.:)

  4. clara sagt:

    können die absätze vielleicht noch korrigiert werden, lieber admin? 🙂

  5. clara sagt:

    meine fotos sind viel schöner als die von wikipedia commons 😀 hättet ihr mich mal gefragt 😉

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